Biografie Ulrich Schamoni

Ulrich Schamoni wurde am 9. November 1939 in Berlin geboren. Mutter Maria lässt das „Knuddelkind“ Ulli als Grußpostkarte fotografieren, die in großer Auflage erschien. Die junge Familie braucht jede Mark.

Vater Victor ist seit Kriegsbeginn Leutnant der Reserve bei der Film- und Bildstelle. An die russische Nordfront versetzt fällt er im Frühjahr 1942 in der Nähe des Ladogasees. Mutter Maria muss von nun an ihre vier Söhne allein aufziehen.

Nach der Evakuierung aus Berlin und der Flucht aus Ostpreußen wächst Ulrich Schamoni mit seinen Brüdern Victor, Peter und Thomas in Iserlohn, Werl und Münster auf.

1958
Ein Jahr vor dem Abitur verlässt Ulrich das humanistische Gymnasium in Münster und folgt seinem Bruder Peter nach München. Dort nimmt er Unterricht an der Schauspielschule Ruth von Zerboni, studiert u. a. bei Maria Wimmer und Kurt Meisel. Nebenher besucht er Vorlesungen (Theater- und Zeitungswissenschaft und Germanistik).

1960
zieht Ulli nach Berlin, auch um den Wehrdienst zu vermeiden. Er beginnt dort mit der Arbeit an seinem ersten Roman.

1959-1964
Regieassistenzen bei Theater, Film und Fernsehen, vor allem bei seinem „Regievater“ Rudolf Noelte, aber auch bei William Dieterle, Hans Korngiebel, Hans Lietzau und Jürgen Goslar.

1962
Sein Romandebüt „Dein Sohn lässt grüßen“ über einige Tage aus dem Leben einer jugendlichen Clique in Münster, wird von der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“ indiziert, was großen öffentlichen Protest auslöst.
(Verlag F. A. Herbig, Übersetzung in Englisch, Französisch, Niederländisch)

1965

erhält er für seinen ersten Kurzfilm „Hollywood in Deliblatska Pescara“ den Bundesfilmpreis in Silber und den Preis der Westdeutschen Kurzfilmtage. Der Film beobachtet die Großproduktion „Dschingis Khan“ mit Omar Sharif in den jugoslawischen Bergen.

1966
entsteht sein erster Spielfilm „Es“, u. a. mit Sabine Sinjen, Bruno Dietrich, Tilla Durieux, Marcel Marceau, Bernhard Minetti und Will Tremper. Der Film erhält fünf Bundesfilmpreise und ist offizieller deutscher Beitrag in Cannes.

„Es“ orientiert sich stilistisch an der Nouvelle Vage. Gedreht wird nicht im Atelier sondern auf der Straße und in seiner eigenen Wohnung. Schamoni greift das bis dahin weitgehend tabuisierte Thema Abtreibung auf. „Es“ erzählt die Geschichte eines jungen, unverheirateten  Paares, des angehenden Grundstücksmaklers Manfred und der technischen Zeichnerin Hilke, deren Glück unerwartet getrübt wird, als Hilke schwanger wird. Sie will ihren Freund, der an seine Karriere denkt, nicht belasten und fürchtet wohl auch um ihr Glück, vertraut sich nur einer Freundin an und entschließt sich zu einem Eingriff, um „Es“ zu beseitigen.

1966
treten alle vier Schamoni-Brüder und die Mutter Maria Schamoni als Darsteller in Vlado Kristls Film „Der Brief“ in Erscheinung.

1967
gestaltet Ulrich Schamoni den Kurzfilm „Lockenköpfchen. Die Chronik des Wilfried S. - oder wie verpulvert man die Wirklichkeit?“ (längere Fassung im selben Jahr „Der kahle Sänger“). Der Film, die Studie eines gehemmten jungen Mannes, ist eine Persiflage auf das Cinéma Vérité und entsteht in Zusammenarbeit mit Michael Lentz. Die Pseudo-Dokumentation läuft 1967 beim Kurzfilmfestival in Oberhausen.

Ulrich Schamonis Spielfilm „Alle Jahre wieder“ (u. a. mit Hans Dieter Schwarze, Ulla Jacobsen, Sabine Sinjen und Johannes Schaaf) erhält drei Bundesfilmpreise, den Silbernen Bären für des beste Drehbuch (Michael Lentz) und den Preis der internationalen Filmkritik auf der Berlinale (zum ersten Mal für einen deutschen Beitrag). Das ironische Porträt zeigt in einer Mischung aus Fiktion und Reportage die Generation der 40-jährigen Männer einer deutschen Provinzstadt (Münster) und ist eine Abrechnung mit bürgerlicher Doppelmoral.

1968
entsteht der Spielfilm „Quartett im Bett“, in dem zwei gegensätzliche Gesangsquartette, die „Jakob Sisters“ und „Insterburg & Co.“ aufeinandertreffen. Der Film erhält als die beste deutsche Filmkomödie den Ernst-Lubitsch-Preis der Berliner Filmjournalisten.

Im selben Jahr ist Ulrich Schamoni Mitglied der Internationalen Jury der XIV. Westdeutschen Kurzfilmtage in Oberhausen.

1969
gestaltet Ulrich Schamoni unter dem Pseudonym „Paul Papra“ den Kurzfilm „Für meine Kinder - von Vati“, das filmische Testament eines Vaters für seine Kinder.

 

1970
erhält Sabine Sinjen den „Ernst-Lubitsch-Preis“ als Schauspielerin in Ulrich Schamonis Spielfilm „Wir - zwei“. Ulli spielt zum ersten Mal die Hauptrolle im eigenen Film, mimt den Im- und Exportkaufmann Willy Meyer, dessen Ehefrau Hella nach zehn Jahren ihren Jugendfreund Andreas wiedertrifft. Drehort ist die Schamoni-Villa in Berlin-Grunewald. Kameramann ist Michael Ballhaus. In weiteren Rollen sind Christoph Bantzer, Ulrich Schamoni, Käthe Jänicke, Blandine Ebinger und Bernhard Minetti zu erleben.

Schamoni als „Puzzle-Künstler“: Die Galerie Ben Wargin zeigt „Vierzehn neue Bilder von Ulrich Schamoni“ in einer Ausstellung im Europa-Center.

1971
Dreht Schamoni an der Côte d‘Azur und in der Camargue mit einem Team von sechs Leuten den Roadmovie-Spielfilm „Eins“. Erzählt wird die Geschichte eines Jung-Kapitalisten (Ulrich Schamoni), der zwei schräge Typen (Herbert Hamm und Wolf Fuchs) mit Hilfe eines todsicheren Roulettesystems seines Großvaters in die Casinos schickt, da er selbst Spielverbot hat. Sie sollen für ihn die Gewinne erarbeiten, während er die Zeit mit seiner Freundin (Andrea Rau) verbringt. Das geht so lange gut, bis die beiden irgendwann aus dem System ausbrechen. Der Film erhält 1972 den Bundesfilmpreis in Silber.

Die Ausstellung „Neue Bilder von Ulrich Schamoni. Die bunte Welt des Films“ wird bei Ben Wargin in der Galerie im Europa-Center eröffnet.

1972/73
„Mein Bruder Willi“, Kurzfilm über den Künstler Willi Mühlenhaupt, aus der Sicht seines Bruders Kurt.

1973
Gründung der „Bärenfilm“ Filmproduktion gemeinsam mit Regina Ziegler.

1974
gibt die freiwillige Selbstkontrolle FSK den Spielfilm „Chapeau Claque“ erst ab 18 Jahren frei, mit der Begründung, der Film könne jugendliche Menschen zum  Nichtstun verleiten. Ulrich Schamoni spielt in diesem Film den Erben einer Zylinderfabrik, der die Firma in den Konkurs führt und in der familiären Villa sein Leben als Privatier weiterführt. Als Schauspieler treten u. a. Anna Henkel, Rolf Zacher, Wolfgang Neuss und die Insterburgs in Erscheinung.

1975

Ulrich Schamoni wird gemeinsam mit Ulrich Gregor vorgeschlagen die Nachfolge des Berlinale-Direktors Dr. Alfred Bauer zu übernehmen.

1978/79
„Was wären wir ohne uns“, vierteilige Fernsehrevue für den Süddeutschen Rundfunk mit Wochenschaumaterial über die Gründer- und Aufbaujahre der Bundesrepublik Deutschland, für die ARD, Buch: Wolfgang Menge

Ausstellung im KaDeWe, anlässlich der Berliner Filmfestspiele 1978 „Ulrich Schamoni - Retrospektive - 8 Jahre bildnerisches Schaffen“

1980
„Das Traumhaus“ - Spielfilm (Buch: Wolfgang Menge) in Koproduktion mit dem WDR über zwei Zeitthemen der frühen 80er Jahre: das alternative Leben und die Bauspekulation, u. a. mit Horst Frank, Judy Winter, Jochen Schroeder, Leslie Malton, Kika Mol, Jakobine Engel

1982
„Der Vikar von Helmeringhausen oder Was nützt es für die Ewigkeit“, Dokumentation über Wilhelm Schamoni, Ullis Onkel und Ziehvater

„Ullis Allerlei, Neues aus der alten Heimat“, experimentelle Video-Dokumentation für den WDR mit Erinnerungen an die Kindheit. (Erstsendung 1984)

1984
„Preußen: So lebten sie alle Tage“, fünfteilige Fernsehserie für den WDR (Buch: Wolfgang Menge). Geschichten und Berichte aus dem alten Preußen, über das Leben der einfachen Leute und Bürger im 18. Jahrhundert, sollte die „gute, alte Zeit“ entmystifizieren.

1985
Schamoni macht Fernsehen für Berlin, gründet „K7“, (Kiezkanal7, in Berlin Neukölln) und startet damit das erste Lokalfernsehsender-Projekt in Berlin

1986
Schamoni macht Radio für Berlin: Gründung von "Hundert,6. Neues Radio für Berlin“, erster privater Radiosender in Berlin

1988
mit „Wir in Berlin“ startet die Schamoni Programmgesellschaft das erste Berliner TV-Fenster auf SAT.1

1989
Gründung von „SK4“, einem Textprogramm in Form einer elektronischen Zeitung, die über Kabel ausgestrahlt wird. SK4 sendete direkt vom Computer auf den Bildschirm und ist somit das erste digitale Fernsehen ohne Kamera.

1992
Rückzug aus dem Hörfunkgeschäft und Gründung der Gesellschaft  „Schamoni TV“ gemeinsam mit Investoren

1993
Lizenzerteilung für das erste regionale private TV-Vollprogramm für Berlin und Brandenburg und Sendestart von „IA - Neues Fernsehen für Berlin und Brandenburg“

1994
Scheidet Ulrich Schamoni als Geschäftsführer von IA Brandenburg aus

November 1996 - März 1998
Ulrich Schamonis dreht sein „Videotagebuch“, ein filmischer Lebensbericht in 170 Stunden (Arbeitstitel: Neues aus meinem Garten). 2012 veröffentlicht seine Tochter Ulrike Schamoni das Videotagebuch als Kinofilm mit dem Titel „Abschied von den Fröschen“.

1998

Ulrich Schamoni stirbt am 9. März an Leukämie im Alter von 58 Jahren

Ulrich Schamoni war in zweiter Ehe mit Erika Grimme-Schamoni verheiratet. Aus der ersten Ehe mit Sigrid Schröder-Schamoni hat er eine Tochter, Ulrike (geb. 1966).