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Spielfilm | 1965/66 | 86 Minuten | 35 mm | S/W

 

Angaben zum Film

Drehbuch und Regie
Ulrich Schamoni

Kamera
Gérard Vandenberg

Produktion
Horst Manfred Adloff

mit Sabine Sinjen, Bruno Dietrich, Marcel Marceau,
Rolf Zacher, Inge Herbrecht u. a.

Kurzbeschreibung

Das Zusammenleben eines unverheirateten Paares, das in eine Krise gerät, als das Mädchen ein Kind erwartet und die Schwangerschaft ihrem Partner verheimlicht. Eines der ersten, beispielhaften Werke des Jungen Deutschen Films: Mit dem Versuch, bundesdeutsche Alltagswirklichkeit und das Lebensgefühl der jungen Generation einzufangen, wendet sich Regisseur Ulrich Schamoni gegen die Tabus und Konventionen des problemfreien Unterhaltungskinos der 50er und 60er Jahre. Experimentelle Verfremdungen (Zwischentitel, dokumentarische Szenen) brechen den Illusionscharakter des Films - und die Naivität der Helden - und schaffen so Distanz zu den dargestellten Problemen.

  • Besetzung


Hilke

Sabine Sinjen

Manfred
Bruno Dietrich

Manfreds Chef
Horst Manfred Adloff

Hilkes Freundin
Ulrike Ullrich

Hilkes Vater
Harry Gillmann

Hilkes Mutter
Inge Herbrecht

Der Festredner
Rolf Zacher

Die alte Dame aus der Zone
Tilla Durieux

Ein Angler
Werner Schwier

Der Mann im „Aquarium“
Marcel Marceau

Ein Kunde
Bernhard Minetti

Ein weiterer Kunde
Will Tremper

Hilkes Großvater
Robert Müller

  • Stab


Drehbuch und Regie
Ulrich Schamoni

Kamera
Gérard Vandenberg

Schnitt und Regieassistenz
Heidi Rente (= Heidi Génee)

Produktionsleitung
Peter Genée

Aufnahmeleitung
Siegfried Hofbauer

Standfotografie
Michael Marton, Gert Conradt

Kamera-Assistenz und Script
Dagmar Sowa

Produktions-Assistenz
Rolf Zacher

Ton und Technik
Sepp Schiller, Siegfried Glöckner

Produktion
Horst Manfred Adloff

» Deutscher Filmpreis 1966:
   Filmband in Silber, Abendfüllender Spielfilm
   Filmband in Gold, Beste Regie an Ulrich Schamoni
   Filmband in Gold, Beste Hauptdarstellerin an Sabine Sinjen
   Filmband in Gold, Bester Nachwuchsschauspieler an Bruno Dietrich
   Filmband in Gold, Beste Kamera an Gerard Vandenberg
» Prädikat: besonders wertvoll

Die junge Hilke, eine technische Zeichnerin in einem Architekturbüro, und der etwa gleichaltrige Manfred, der Assistent eines renommierten Grundstücksmaklers, leben ohne Trauschein im Westteil Berlins. Ihr Leben scheint in perfektem Einklang abzulaufen, nichts stört bislang das junge Glück, das sich bewusst spießiger Bürgerlichkeit konsequent entzieht. Eines Tages muss Hilke feststellen, dass sie schwanger ist. Weil sie glaubt, dass Manfred ein Kind als einengend empfinden würde und sie ihn nicht auf diese Art an sich binden will, und weil sie nicht möchte, dass er sie aus reinem Pflichtgefühl heiratet, verheimlicht Hilke Manfred ihre Schwangerschaft.

In ihr reift der Plan, „es“, das in ihrem Bauch heranwachsende Kind, heimlich abtreiben zu lassen. Die von ihr konsultierten Ärzte sind keine wirkliche Hilfe, sie erzählen ihr lediglich die eingeübten, wie Stanzen auf sie wirkenden Standardsätze, die Mediziner in solchen Fällen einer Schwangeren eben vortragen, um den Eingriff dann schlussendlich abzulehnen. Durch einen Zufall erfährt Manfred von Hilkes Schwangerschaft. Als er seine Lebensgefährtin damit konfrontieren will, hat sie inzwischen eine Möglichkeit gefunden, den Fötus abzutreiben. In der Schlussszene sitzen sich die beide jungen Leute in ihrer Wohnung schweigend gegenüber.

Begründung der FBW (Filmbewertungsstelle Wiesbaden), 20. Dezember 1965

Mit großer Freude hat der Bewertungsausschuß dem Film das höchste Prädikat verliehen. Nicht eben häufig ist bereits der erste Spielfilm eines jungen Regisseurs so vollkommen gelungen, daß man ihn ohne Zögern mit dem höchsten Prädikat auszeichnen kann. Ulrich Schamoni hat sich auf Anhieb als eine große Hoffnung des deutschen Spielfilms erwiesen.

Ebenbürtig ihm zur Seite muß sofort sein Kameramann Gerard Vandenberg genannt werden. Die innere und stilistische Übereinstimmung zwischen Drehbuch und Regie, für die Ulrich Schamoni verantwortlich zeichnet, und der Kameraarbeit von G. Vandenberg ist beispielhaft. Schamoni hält sich nicht bei jenen jugendlichen Typen auf, die sonst im Spielfilm bis zum Überdruß strapaziert werden. Seine jungen Menschen sind frisch, sind lebendig und sind vor allen Dingen - und dazu gehört heute ein besonderer Mut - außergewöhnlich sympathisch. Das Appartement, in dem die beiden jungen Menschen miteinander leben, strahlt lauter Frische aus. Gerade hier zeigt sich Schamonis Vorliebe für das optische Detail. Er sieht ungeheuer viel und weiß gerade mit Kleinigkeiten und bewußt kleinen Bildausschnitten sehr viel zu sagen. Die verschiedenen Milieus wirken überaus glaubwürdig. So kann man bei diesem Film geradezu von einer aktuellen Wirklichkeit sprechen, die in vielerlei Variationen widergespiegelt wird. Ganz bewußt hat Schamoni daher auch in den Dialog ganz aktuelle Wendungen und Anspielungen eingeflochten. Gerade diese „Aktualität" gibt dem Film seinen frischen Atem und die unbedingte Überzeugungskraft. Schamoni hat es gar nicht erst nötig, diese oder jene Passage im Ablauf der alltäglichen Fabel psychologisch zu motivieren. Die Motivation ergibt sich stets vollkommen aus dem Befund der beiden jungen Menschen und ihrer Umwelt.

Das Zusammenspiel zwischen der Regie, der Kamera und dem Dialog findet seinen Höhepunkt in jener langen Bildfolge, in der das junge Mädchen von einem Arzt zum anderen fährt, um einen verbotenen Eingriff zu erbetteln. Im Stil einer Reportage läßt Schamoni eine ganze Anzahl von Berliner Ärzten zu der drängenden Frage des Mädchens Stellung nehmen. Aber die Art, mit der diese Reportage von der Kamera und vom Schnitt gestaltet wurde, geht weit über jeden Reportagestil hinaus. Das ist filmisch bewältigte, filmisch gestaltete Wirklichkeit, wiederum mit jenem frischen Atemzug der Aktualität.

Der Film beginnt mit einem sehr jugendlichen, sehr erfrischenden Wirbel von Liebesszenen, die so kunstvoll durchgestaltet wurden, daß ihnen jeder Beigeschmack sogenannter Liebesszenen im heutigen Spielfilm fehlt. Dieser keineswegs zimperliche, faszinierend fotografierte und geschnittene Wirbel von Liebesszenen ist sauber bis auf den Grund.

Als der dunkle Kontrapunkt zu diesen hektischen, übermütigen Eingangsszenen wirkt dann die großartige Schlußsequenz, die keinerlei Auskunft gibt über das weitere Schicksal der beiden jungen Menschen, sondern nur ihre derzeitige innere Entfernung voneinander mit optischer Eindringlichkeit bekundet.

Höchste Anerkennung verdienen auch die Darsteller. Mit Erstaunen hat der Ausschuß gesehen, wie gelöst Sabine Sinjen zu spielen vermag, wenn sie richtig geführt wird. Der langsame Verfall ihres Gesichtes, ja ihrer ganzen motorischen Haltung während der Fahrt durch die Arztzimmer stellt eine starke schauspielerische Leistung dar. Bruno Dietrich als ihr Partner ist eine beachtliche Entdeckung für den deutschen Spielfilm. Er hält die Schwebe zwischen seiner Liebe zu dem Mädchen und der mangelnden Beteiligung an dessen persönlichem Schicksal glänzend durch. In der Szene mit Tilla Durieux wirkt er geradezu liebenswert in seinem reservierten Respekt gegenüber dem Alter. Die Hilfestellung prominenter Schauspieler für diesen Erstlingsfilm ist höchst sympathisch.

Der schon im Drehbuch angelegte Stil dieses Films wäre ohne den hervorragenden Schnitt von Heidi Rente gar nicht zu verwirklichen gewesen. Der Schnitt ist oft heftig, immer jedenfalls voller Temperament und entspricht dem kaleidoskopartigen Stil der Regie und der Kamera.

Insgesamt gilt es, einen Erstling zu feiern, der weit über das gewohnte Niveau der deutschen Spielfilm-Produktion hinausragt. Das ist umso bemerkenswerter, als Ulrich Schamoni sich nicht mit verblüffenden Experimenten als Avantgardist gebärdet, sondern dem Spielfilm mit einer durchaus eigenen Handschrift neue Möglichkeiten in der Erschließung der menschlichen Wirklichkeit zugetragen hat.