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Spielfilm | 1968 | 88 Minuten | 35 mm | S/W
Buch und Regie
Ulrich Schamoni
Musik und Liedertexte
Ingo Insterburg
Produktion
Peter Schamoni Filmproduktion
mit Karl Dall, Ingo Insterburg, den Jacob Sisters
(Johanna, Rosi, Eva, Hannelore), Jürgen Barz u. a.
West-Berlin, Sommer 1968. Das Lebensgefühl der Zeit anhand (mindestens) dreier unterschiedlicher Quartetts: Durch die Hinterhöfe Kreuzbergs ziehen die anarchischen Blödenbarden von „Insterburg & Co.“ und vertreiben sich die Zeit mit Ulk-Gedichten, selbstgebastelten Instrumenten und ihren Gespielinnen. In den Luxushotels gastieren als internationale Showstars die quirligen Jacob Sisters mit ihren vier Pudeln. Und das Postkarten-Berlin bekommen vier Ölscheichs vorgeführt, die gerade auf Staatsbesuch sind.
Die Jacob Sisters
Johanna, Rosi, Eva und Hannelore Jacob
Insterburg & Co.
Ingo Insterburg, Jürgen Barz, Peter Ehlebracht, Karl B. Dall
Manager der Jacob-Sisters
Rainer Basedow
Senatsbeamter und Manager von Insterburg & Co.
Dieter Kursawe
Bürgermeister
Guido Weber
Referent
Rolf Bauer
Präsident
Friedrich Schekowski
Verleger
Werner Finck
Grüne Witwe
Dagmar Lassander
Freundin von Insterburg & Co.
Andrea Rau
Mutter Ehlebracht
Annaliese Würtz
Kneipenwirtin
Herta Fiedler
Dichter
Kurt Neuburger
Maler
Kurt Mühlenhaupt
Molli
Doris Ramolla
Schläger
Peter Koch, Dieter Ahlich, Manfred Renz, Horst Walter
Mädchen
Heike Pretzell, Irene Wagner, Christine Ebert
Buch und Regie
Ulrich Schamoni
Musik und Liedertexte
Ingo Insterburg
Kamera
Josef Kaufmann
Kamera-Assistenz
Gerd Weiß
Ton
Naftali Schönberg
Schnitt
Heidi Genée
Regie-Assistenz
Alexander Ebermayer von Richthofen
Aufnahmeleitung
Ulrich Höner
Produktionsleitung
Pit Schröder
Produktion
Peter Schamoni Filmproduktion
Flughafen Tempelhof in Berlin. Aus der soeben gelandeten Maschine steigen vier süße, blondmähnige Mädchen aus, sich gleichend wie ein Ei dem anderen, und nicht nur in der Kleidung. Jede trägt einen ebenso süßen weißen Zwergpudel auf dem Arm. Pressefotografen drängeln sich heran, Fragen und Blumensträuße prasseln durcheinander, ein wohlbeleibter junger Mann feuert die Mädchen an, die darauf sofort einen flotten Song anstimmen. Das singende Mädchen-Quartett aus Sachsen, die vier Jacob Sisters, haben ihren gelungenen Auftritt.
Ein anderes Quartett kommt mit etwas hilflosem Staunen hinter dunklen Sonnenbrillen die Gangway des Flugzeugs herabgeschritten. Körper und Köpfe mit wallenden Tüchern verhüllt, weisen sie sich unweigerlich als Araber aus. Und da geht auch schon ein Senatsbeamter festen Schrittes auf sie zu und sagt ihnen ein herzliches „Willkommen in dieser Stadt“ auf.
Eine enge, verräucherte Kneipe mit einem noch engeren Bühnenprovisorium, auf dem vier bärtige, langhaarige Männer melancholisch-absurde Moritaten über die kleinen Glücks- und Zufälle des alltäglichen Lebens zur Gitarre und manchmal auch zur Geige singen. Auf den Kneipenbänken wird bei schummrigem Kerzenlicht gefummelt, Pärchen halten sich umschlungen und küssen sich. Nur hin und wieder riskieren sie Auge und Ohr für die kleine Bühne, auf der das Quartett „Insterburg & Co.“ seine poetischen Lieder singt.
„Quartett im Bett“ heißt der Film — und das wichtigste Lebensrequisit des Menschen wird auch bald seiner wahren Funktion zugeführt. Die vier originellen Insterburg-Jungen verbringen nämlich die meiste Zeit des Tages in den Federn, da sie ja schließlich Nachtarbeiter sind. In ihren unaufgeräumten Wohnungen, die das romantische Flair von Studentenbuden ausstrahlen, liebkosen sie abwechselnd ein und dasselbe Mädchen, erzählen von ihren Liedern, ihren Gedanken und ihrem Leben, wobei Ingo schon fast in die Nähe eines Dichters gerät: Er weiß unzählige romantisch-poetische, sehr melancholische und sehr weise Märchen und Geschichten zu erzählen. Die Illustrationen dazu hat er selbst auf seine Tapete gezeichnet.
Einer dieser vier munteren Burschen hat sein eigenes Mädchen, eine „grüne Witwe“ in einer der schrecklich-unpersönlichen Neubaukasernen, bei der er allmorgendlich außer dem warmen Bett auch ein reichhaltiges Frühstück und immer eine Flasche Bier vorfindet. Die vier Jungen aus dem Berliner Künstler-, Literaten- und Arme-Leute-Viertel Kreuzberg haben ihr Leben dem Augenblick gewidmet - und er gibt ihnen die schönsten Einfalle.
Die vier Mädchen aus dem großen Showgeschäft bereiten sich indessen auf ihren Auftritt in der Kongresshalle vor. Sie geben Pressekonferenzen, treten im Fernsehen auf, werden vom „Regierenden“ empfangen und beschenkt, posieren in immer neuen Kostümen für die Kameras. Ihr Manager rauft sich indes die Haare: Einige Künstler haben abgesagt, und er versucht verzweifelt, Ersatz zu bekommen für den Galaabend.
Die vier Araber fahren währenddessen im Mercedes durch Berlin und lassen sich von dem Senatsbeamten über die Wunder dieser Stadt in deutsch und englisch aufklären. Sie besichtigen Fabriken, werden an die Mauer geschleppt und traben geduldig und schweigend zu Empfängen in einem Verlagshaus „genau auf der Grenze“, beim „Regierenden“ und beim „Präsidenten“.
Zwei Gesichter West-Berlins im Jahre 1968: Der dem modernen Wohnungsbau huldigende Teil des Establishment, das von Bonn zu einem Fetisch herabstilisierte Berlin - und das andere, das wahre Berlin, das man heute fast nur noch in Kreuzberg findet, jenem Stadt-Viertel, in dem jeder jeden kennt und jeder den anderen respektiert, wo der Weg zum Nachbarn nicht erst gesucht werden muss. Hier existiert noch wirkliches Leben jenseits der Anonymität unserer Großstädte. Ein Leben freilich, das irgendwie in den zwanziger Jahren steckengeblieben ist, aber der Charme und die spezifischen Eigenarten dieser Zeit haben auch heute noch ihre Gültigkeit. Und dieser Charme, der voller Romantik und Melancholie ist, der aber auch die leise Ironie kennt, dieser Charme ist es, der am Ende des Films „Quartett im Bett“ den Sieg davonträgt…
AZ, 14./15. Dezember 1968, Karsten Peters
„Quartett im Bett“ - das ist der blanke Unsinn, purer Nonsens, kompletter, wenn auch köstlicher Schwachsinn - perfekt dargeboten.
Schamoni macht sich lustig über Berlin und schaut auf „sein“ Berlin. Das liegt in Kreuzberg. Das Arbeiter- und natürlich APO-Viertel ist das Paradies der Boheme 68, der Penner und Poeten, der Maler und Müßiggänger, der Trinker und Talente. Kreuzberg - das Tag- und Nachtasyl der Immerjungen. Und hier, in den herrlichsten Slums der Welt, in der Welt der Kneipen und Pinten, der Gammler-Genies, fand der Regisseur denn auch jenes Quartett, das dem Film mehr als den Titel gab: Ingo Insterburg & Co. Sie sind wahre Weltmeister des Blödelns. Sie kalauern mit Pfiff, Witz, Charme und Präzision, nonchalant, kaltschnäuzig, dreist, frivol - und doch mit einem Rest von Vorstadtromantik. Profis mit Naivität. Als Kontrast dazu setzt Schamoni die Jacob‑Sisters aus Sachsen. Hier das etablierte, routinierte Show-Geschäft, dort die unverbildeten, unverblümten Pop-Barden aus Kreuzberg.
Die spielerische Sicherheit dieser Gammler-Symphonie, die Improvisierkunst, der unkonventionelle Rhythmus (Schnitt: Heidi Genée), die exakte Realitätsbeobachtung, der wie absichtslos pointierte Dialog - das alles macht „Quartett im Bett“ zu einer Farce mit Niveau.
Fazit: Unter dem Pop-Himmel von Berlin.